Damit mehr Menschen mit Behinderung Selbstbestimmt wohnen können, fordert die oppositionelle SPD im Landtag, mehr Geld in neue Wohnformen zu stecken. „Wir wissen und sind uns mit den Fachleuten einig, dass wir Wohnformen beenden müssen, die Menschen mit Behinderung weitgehend aus dem gesellschaftlichen Leben ausschließen. Wir sehen aber, dass außer Modellprojekten nicht viel geschieht“, kritisierte Doris Rauscher (SPD), Vorsitzende des Sozialausschusses, am Donnerstag nach einer Anhörung im Bayerischen Landtag in München. Sogenannte Komplexeinrichtungen, die Wohnen, Arbeit, Therapien und Freizeit anbieten, lägen oft außerhalb von Gemeindezentren und seien schlecht an den öffentlichen Nahverkehr angebunden.
Bei der Entwicklung von inklusivem Wohnraum ist die Situation in Bayern schlechter als in anderen Bundesländern: In Deutschland lebt durchschnittlich mehr als die Hälfte der Menschen mit Behinderung in ihren eigenen vier Wänden – in Regierungsbezirken wie der Oberpfalz und Niederbayern liegt die Quote hingegen knapp unter 30 Prozent. Die Zahlen kommen aus einer 2020 veröffentlichten Studie der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe und der Eingliederungshilfe (BAGüS).
Im August 2018 hatte die Staatsregierung beschlossen, ein Sonderinvestitionspaket von 400 Millionen Euro in 20 Jahren zu schnüren. „Heute müssen wir leider feststellen, dass das Paket nur noch halb so groß ist und die Staatsregierung ihr Wort nicht hält“, sagte Ruth Waldmann, Sprecherin der Bayern-SPD für Menschen mit Behinderung. Die SPD-Landtagsfraktion fordert daher in einem Antrag für den Haushaltsplan 2021, die entsprechenden Mittel von zehn auf 20 Millionen Euro jährlich zu erhöhen.
Aktuell leben in Bayern rund 10.000 Menschen mit Behinderungen in sogenannten Komplexeinrichtungen. Rund 4000 von ihnen wären dem Landesverband der freien Wohlfahrtspflege zufolge von den Maßnahmen betroffen.