Mehr als 500.000 Kranke und Menschen mit Behinderung gehen leer aus
Anders als Hartz IV-Empfänger bekommen Erwerbsgeminderte mit Grundsicherung keine kostenlosen Masken – laut Gesundheitsministerium aus rein praktischen Gründen.
Die Bundesregierung hat in den letzten Wochen Millionen kostenloser FFP2-Masken an Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld II (ALGII) verteilen lassen. In ihrem Auftrag haben die Krankenkassen die Berechtigungsschreiben per Post verschickt, die es ALG-II-Empfängerinnen und -Empfängern ermöglicht, mit Vorlage ihres Personalausweises bis zum 6. März zehn kostenlose FFP-2-Masken aus einer Apotheke abzuholen.
Doch eine große Gruppe von Menschen, denen es finanziell eher noch schlechter geht, bleibt nach Informationen des Tagesspiegel bei dieser Verteilaktion außen vor: Mehr als 500.000 Menschen, die aufgrund einer Erkrankung oder Behinderung dauerhaft und vollständig erwerbsgemindert sind und deshalb Grundsicherung erhalten.
Der Hintergrund dafür, dass Menschen, die ihr Geld mindestens ebenso zusammenhalten müssen, wie ALG-II-Beziehende, leer ausgehen, ist offenbar weniger ihre fehlende Berechtigung, sondern schlicht „Praktikabilität“. Das ergab eine entsprechende Anfrage beim Bundesgesundheitsministerium (BMG). Bei der Ausweitung des Kreises der Anspruchsberechtigten auf Schutzmasken sei es darum gegangen, „schnell zu handeln und die Masken unkompliziert einem breiten Personenkreis von bedürftigen Menschen zur Verfügung zu stellen“, teilte das Ministerium mit.
Unkompliziert heißt, dass den Krankenkassen, die bereits die Verteilaktion von Masken mit hoher Schutzwirkung an über 60-Jährige und Risikogruppen gemanagt hatten, auch die Daten der ALG-II-Beziehenden umfassend vorlägen. So können die Kassen auch diesen Personenkreis identifizieren und anschreiben.
Die Krankenkassen wissen nicht, wer Grundsicherung erhält
Anders sei das bei Berechtigten von Leistungen der Grundsicherung nach dem Zwölften Sozialgesetzbuch. „Den Krankenkassen, die für die Bestätigung der Berechtigung für einen Maskenbezug verantwortlich sind, liegen keine durchgehenden Daten über einen SGB-XII-Leistungsbezug vor“, teilt das BMG mit.
Aber immerhin würden die über 60-jährigen Empfängerinnen und Empfänger von Grundsicherung ja bereits über die von den Krankenkassen versandten Berechtigungsscheine für Masken gegen eine Selbstbeteiligung erreicht. Die unter 60-Jährigen aber eben nicht.
Zugleich freut man sich im Ministerium, dass einzelne Bundesländer selbst aktiv geworden sind und Bedürftigen kostenlose Schutzmasken zur Verfügung stellen. „Diese Initiativen werden ausdrücklich begrüßt.“
Einmalige Sonderzahlung von 150 Euro geplant
Ganz leer ausgehen sollen die Bedürftigen aber nicht. Man wisse, dass bei ihnen „aufgrund der mittlerweile ein Jahr andauernden Corona-Pandemie die finanziellen Möglichkeiten vielfach ausgeschöpft sind und gerade in den letzten Wochen zusätzliche Belastungen entstanden sind“, schreibt das BMG.
Deshalb sei im Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen zum Sozialschutz-Paket III unter anderem eine „einmalige Sonderzahlung für erwachsene Grundsicherungsempfängerinnen und -empfänger in Höhe von 150 Euro vorgesehen, um jegliche Mehraufwendungen infolge der Covid-19-Pandemie abzufedern.“
Abgedeckt seien damit auch Aufwendungen, die für den Kauf von Schutzmasken entstehen. Die Regelungen sollen am 1. April 2021 in Kraft treten. „Die Einmalzahlung wird zeitnah nach Verkündung ausgezahlt.“
Da diese Regelung aber auch Berechtigten laut Sozialgesetzbuch II zugute kommen soll, die also jetzt von den Krankenkassen Berechtigungsscheine für kostenlosen FFP-2-Masken erhalten haben, wird damit die ungerechte Verteilung der Masken an Bedürftige laut Sozialgesetzbuch XII aufgrund von Praktikabilitätserwägungen nur unzureichend ausgeglichen.