Ein schwerbehinderter Mensch muss eine bestehende Behinderung dem potenziellen Arbeitgeber rechtzeitig mitteilen. Erwähnt er die Information dennoch nicht in der Bewerbung und wird nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, wurde er dadurch laut Bundesarbeitsgericht nicht wegen seiner Behinderung benachteiligt.
Bewerber informiert spät über seine Behinderung
Ein gelernter Diplom-Verwaltungswirt (FH) verlangte eine Entschädigung für eine Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung anlässlich einer Bewerbung bei einer Stadt. Er war langjährig als Bürgermeister einer anderen Gemeinde tätig gewesen. Ende 2013 war ihm ein Behinderungsgrad von 50 attestiert worden. Im September 2017 schrieb die Kommune die Stelle eines/einer „Leiter/in des Sachgebietes Bauen und Wohnen“ aus. Der Mann bewarb sich auf den Posten, informierte aber weder im Bewerbungsschreiben noch im Lebenslauf über seine Schwerbehinderung. Zu einem Vorstellungsgespräch wurde er nicht eingeladen. Anfang November entschied sich das Auswahlgremium für einen anderen Kandidaten und holte sich dazu Ende November die Zustimmung des Gemeinderats ein. Zeitgleich teilte der Anwärter per E-Mail „in Ergänzung seiner Bewerbungsunterlagen“ mit, dass er „einen Grad von 50% MdE“ habe. Zu diesem Zeitpunkt stand das Auswahlverfahren bereits „kurz vor dem Abschluss“. Der Stadtrat entschied sich einstimmig für den vorgeschlagenen Bewerber und lehnte den Aspiranten ab. Das Arbeitsgericht Rosenheim wies die daraufhin erhobene Klage ab. Die Berufung scheiterte vor dem LAG München, weil der Bewerber den Arbeitgeber erst nach Abschluss des Auswahlverfahrens über seine Behinderung informiert habe.
BAG: Behinderung nicht ursächlich
Dem stimmte das BAG zu und wies die Revision zurück. Aus seiner Sicht wurde der Kandidat nicht wegen seiner (Schwer)Behinderung benachteiligt. Der Umstand, dass die Kommune ihn – entgegen der in § 82 Satz 2 SGB IX a.F. bzw. § 165 Satz 3 SGB IX geregelten Verpflichtung – nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen habe, begründe ausnahmsweise nicht die Vermutung, dass seine Behinderung ursächlich für dessen unmittelbare Benachteiligung gewesen sei. Vielmehr habe er der Stadt seine Schwerbehinderung erst am Tag der Stadtratssondersitzung mitgeteilt und damit nicht rechtzeitig. Den Erfurter Richtern zufolge war es zu diesem Zeitpunkt der Kommune nicht mehr zumutbar, die Schwerbehinderung des Anwärters zu berücksichtigen. Zum Zeitpunkt des Eingangs der Mitteilung habe sie nicht nur eine Vorauswahl vorgenommen, sondern auch die Vorstellungsgespräche bereits durchgeführt. Zudem habe sich das Auswahlgremium zuvor bereits für einen anderen Bewerber entschieden.
zu BAG, Urteil vom 17.12.2020 – 8 AZR 171/20
Link: Beantragen einer Schwerbehinderung