Wie es um die Situation von Menschen mit Behinderung steht und was zu tun ist, um ihnen die Teilnahme an einem möglichst „normalen“ Leben zu erleichtern, darüber tauschte sich ein kleiner, aber sehr sachkundiger Kreis am 24.10. in einer Video-Konferenz aus.
Eingeladen hatten Nils Bollenbach von den Stormarner Grünen, Andreas Reigbert vom Verein Selbsthilfe Körperbehinderter e.V. und die Grüne Landtagsabgeordnete Marret Bohn.
Menschen mit Behinderungen benötigen Hilfen in vielen Lebensbereichen. „Jeder kann von einer Behinderung betroffen sein!“ betont Nils Bollenbach, der selbst mit einer Behinderung lebt. „Es muss ein erklärtes Ziel unserer Gesellschaft sein, diese Menschen besser zu inkludieren“. Probleme bestehen bei der Überwindung von physischen Barrieren in Wohnungen, öffentlichen Gebäuden und auf der Straße, beim Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln für Rollstuhl fahrende, beim Zugang zu Informationen etwa für Sehbehinderte und Gehörlose, durch bürokratische Hemmnisse beim Erwerb von technischen Hilfsmitteln und bei dem Bedarf an finanzieller und personeller Unterstützung. Bei dem Grünschnack wurde schnell klar, dass sich hier noch viel tun muss.
Wer sich für Menschen mit Behinderungen einsetzt, stellt immer wieder fest, dass die Verantwortlichen zu wenig informiert sind, den Themenbereich bei Projekten „vergessen“ oder nicht bereit sind, Geld dafür auszugeben. „Es scheitert oft schon an kleinen Dingen, zum Beispiel dass Seifenspender in Toiletten so angebracht sind, dass sie vom Rollstuhl aus nicht zu erreichen sind.“ Bollenbach kennt die Situation: Seine Großmutter ist Rollstuhlfahrerin und ist immer wieder auf die Begleitung ihres Enkels angewiesen. „Geplant wird zu oft nur für Behinderte, statt mit ihnen“, kritisiert der engagierte Grüne.
Einig war man sich in der Grünschnack-Runde: Menschen mit Behinderungen brauchen Interessenvertreter*innen, die ihnen auf allen Ebenen immer wieder Gehör verschaffen, Mängel aufdecken, Forderungen stellen und dafür sorgen, dass bestehende Förderprogramme angewendet werden. Diese Mittlerfunktion kann wahrgenommen werden von Selbsthilfegruppen, Beiträten, ehrenamtlichen der hauptamtlichen Behindertenbeauftragten, Hilfsorganisationen, Verwaltungen und Politiker*innen.
Bisher sind Menschen mit Behinderungen in fast allen Parlamenten unterrepräsentiert.
Die Grünen wollen sich nun des bislang vernachlässigten Themas annehmen. In Bargteheide geht es unter anderem um die Barrieren in der Gastronomie. Menschen mit einer körperlichen Behinderung ist es kaum möglich, in Bargteheide ein Restaurant oder Café zu besuchen“, kritisiert Andreas Reigbert. Mit der Deutschen Bahn kämpft er seit Jahren um die Bahnsteighöhe am Bargteheider Bahnhof – bisher vergeblich.
Die Bargteheider Grünen werden Vorschläge erarbeiten, wie die Betroffenen vor Ort ihre Interessen besser durchsetzen können. Dazu möchten sie zunächst wissen: Wie viele Menschen sind von einer Behinderung betroffen und um welche Behinderungen handelt es sich? Wichtig wäre auch ein/e verantwortliche Ansprechpartner*in im Rathaus.
Auf Landesebene besteht Handlungsbedarf bei der Inklusion von Kindern mit Behinderungen, besonders im Bereich der Schulbegleitung. Hier will Marret Bohn aktiv werden. Auch wird sie eine stärkere Vernetzung der Betroffenen / der Handelnden im Land auf den Weg bringen. Ein Antrag zur Einrichtung einer grünen Landesarbeitsgruppe zur Inklusion ist gestellt. Zu dem anstehenden Parteitagen auf Landes- und Bundesebene, so beschlossen es die Teilnehmer*innen am Grünschnack, soll beim Landesvorstand der Einsatz einer Dolmetscher*in für Gebärdensprache beantragt werden.
Nils Bollenbach möchte sich auf dem nächsten Landesparteitag, der wieder als Präsenzveranstaltung stattfinden darf, als Kandidat für die Bundestagswahl 2021 aufstellen lassen. Sein Wahlkampfthema wird – neben dem Klimawandel – die Situation von Menschen mit Behinderungen sein. Dazu gehört wesentlich auch eine kritische Auseinandersetzung mit den heute üblichen Behindertenwerkstätten.