DLR Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt
- Im Fokus des EU-Projekts TRIPS steht die Entwicklung neuer Mobilitätsangebote für Menschen mit Behinderungen.
- Projekt setzt als Reallabor auf die Mitsprache und Mitgestaltung mobilitätseingeschränkter Menschen in sieben europäischen Städten.
- Schwerpunkte: Verkehr, Digitalisierung, intelligente Mobilität
Für Menschen mit Behinderungen ist der Verkehr auch heute noch voller Hürden: Fehlende Fahrstühle und Rampen, unverständliche Apps oder plötzliche Streckenänderungen gehören zum Alltag. Dabei hängt für sie ein selbstbestimmtes Leben, soziale Teilhabe und der Zugang zu Bildung und Beruf oft von einem funktionierenden Verkehrsangebot ab. Deshalb gilt es, die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen bei der Planung von Mobilität von Anfang mitzudenken – wie in dem EU-Projekt TRIPS (TRansport Innovation for vulnerable-to-exclusion People needs Satisfaction). Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt darin mit neun Partnern aus sechs Ländern sowie mobilitätseingeschränkten Menschen gemeinsam Lösungen für barrierefreie Mobilität.
Mobilitätseingeschränkte Menschen als Experten
Das Projekt ist als Reallabor konzipiert, es ist also offen und partizipativ gestaltet. So können Menschen mit Behinderungen ihre eigenen Bedürfnisse einbringen. 42 Millionen Menschen in der EU haben eine Behinderung und können sich deshalb nur eingeschränkt fortbewegen, sei es durch Sehschwächen, Probleme beim Gehen oder Hören oder andere physische oder psychische Behinderungen. „Als Forschende können wir nur hilfreiche Lösungen entwickeln, wenn wir die Anforderungen der Nutzerinnen und Nutzer kennen. Wir sind auf die Mitarbeit der mobilitätseingeschränkten Menschen angewiesen. Denn sie sind die Expertinnen und Experten für ihre spezielle Situation und profitieren am Ende davon“, erläutert Projektleiterin Alexandra König vom DLR-Institut für Verkehrssystemtechnik in Braunschweig.
Ein europaweites Reallabor für gemeinsame Forschung
In den kommenden drei Jahren arbeiten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zusammen mit mobilitätseingeschränkten Menschen in sieben europäischen Städten: Bologna, Brüssel, Cagliari, Lissabon, Sofia, Stockholm und Zagreb. Vor Ort werden die Bedürfnisse für neue Mobilitätskonzepte untersucht und potenzielle Barrieren und Nutzungshürden erfasst. Im Fokus des Projekts stehen auch neue Mobilitätsangebote wie App-basierte Dienste, Shuttle-Services oder neue Verkehrsmittel wie E-Scooter. Zudem nimmt das Projektteam den Stand der Technik in Bezug auf Barrierefreiheit, unterstützende Technologien und Assistenzsysteme unter die Lupe. Zu den Projektpartnern des DLR gehören Kommunen, Verbänden und Verkehrsbetriebe. Sie unterstützen bei der praxisorientierten Ideenfindung und der späteren Umsetzung.
Barrieren identifizieren und Lösungen entwickeln
Zusammen mit den lokalen Arbeitsgruppen entwickelt das Team Ideen und Konzepte, wie den heutigen Herausforderungen und Barrieren begegnet werden kann. „In welche Richtung diese Ideen gehen werden – ob Online-Dienste, Begleitservices oder bauliche Veränderungen – ist bewusst offen gelassen“, so König. Erste Analysen zeigen, dass Menschen mit Behinderung in den sozialen Medien beispielsweise fehlende oder nicht funktionierende Rampen an Fahrzeugen sowie lange Vorlaufzeiten für das Buchen von Assistenzdiensten kritisieren. Solche Barrieren ausfindig zu machen und zu beschreiben, ist der Ansatzpunkt für die späteren Lösungskonzepte. Auch diese werden gemeinsam mit den Betroffenen in sogenannten Co-Creation-Workshop entwickelt.
Die Abteilung „Human Factors“ des Instituts für Verkehrssystemtechnik arbeitet an der qualitativen und quantitativen Nutzerforschung mit. Das heißt, sie untersucht die Anforderungen von Menschen mit Behinderungen im Verkehr. Diese werden in einem ersten Schritt durch leitfadengestützte Interviews mit mobilitätseingeschränkten Menschen in den sieben Teststädten erhoben. Außerdem soll eine Analyse von Beiträgen in sozialen Medien Aufschluss darüber geben, welche Hürden und Barrieren Menschen mit Behinderungen in ihrer alltäglichen Mobilität erleben. Im Herbst 2020 starten die DLR-Verkehrsforschenden im Zuge des Projekts eine europaweite Umfrage, die einen umfassenden Blick auf die Thematik werfen soll. Zudem analysieren die Verkehrsforschenden der Abteilung „Bewertung des Verkehrs“ aktuelle und zukünftige Mobilitätssysteme und Technologien unter dem Gesichtspunkt der Barrierefreiheit. Aus deren Potential leiten sie Verbesserungen ab.
Originalbeitrag des DLR: Projekt TRIPS – neue Mobilitätsideen von und für Menschen mit Behinderung